„Wir müssen jetzt wirklich handeln“

Robeco

3 minutes de lecture

Fahren wir die Wirtschaft und den Planeten an die Wand? Interview mit dem CEO von Robeco, Gilbert Van Hassel.

Im Jahr 2018 nahm Robeco die „Schaffung von Vermögen und Wohlergehen“ in seine Mission auf. Findet das bei den Kunden Anklang? Oder herrscht noch die Auffassung, dass Nachhaltigkeit und Ertragsziele miteinander in Konflikt stehen?

Darauf gibt es mehr als nur eine Antwort. In den Niederlanden und Nordeuropa wird diese Diskussion nicht mehr geführt.. Dort gehört es bereits zu den treuhänderischen Pflichten von Pensionskassen, den Aspekt der Nachhaltigkeit zu integrieren. Demnach sind die beiden Ziele perfekt miteinander vereinbar. Doch obwohl Skandinavien eine Führungsrolle in diesem Bereich innehat, variiert auch dort das Ausmass der Integration von Nachhaltigkeit erheblich. In Norwegen und Schweden ist die Entwicklung bereits weit vorangeschritten. In Dänemark dagegen stellen viele Leute noch infrage, ob die beiden Ziele miteinander vereinbar sind und wie sie sich auf die Bildung von Vermögen auswirken, wenn man gleichzeitig auf das Wohlergehen der Gesellschaft abzielt.

Immer mehr Forschungsergebnisse liefern Nachweise dafür, dass es eine Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und langfristiger Wertschöpfung gibt. Insbesondere im Bereich Governance beginnt sich dies schlüssig abzuzeichnen. Allerdings ist noch mehr Forschungsarbeit erforderlich, um die Verbindung zwischen den beiden Zielen vollständig herauszuarbeiten.

Solange die treuhänderischen Verantwortlichkeiten nicht neu formuliert werden,
werden sich die US-Pensionsfonds bestenfalls
nur in marginalem Umfang in Nachhaltigkeit engagieren.

In den USA unterliegen allerdings die meisten Pensionsfonds dem vom Arbeitsministerium entwickelten Employee Retirement Income Security Act (ERISA), wonach ihre treuhänderische Verantwortung die Maximierung der Rendite im Auftrag der Begünstigten beinhaltet. Solange es keinen vollständig nachgewiesenen kausalen Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Wertschöpfung gibt, können diese Fonds Nachhaltigkeitsziele nicht in nennenswertem Umfang verfolgen. Es gibt einfach noch nicht genug wissenschaftliche Nachweise, die Datenreihen sind zu beschränkt und der Track Record der Fonds ist zu kurz, um ihnen aus akademischer Sicht ausreichend Gewicht zu verleihen. Solange die treuhänderischen Verantwortlichkeiten nicht neu formuliert werden, werden sich die US-Pensionsfonds bestenfalls nur in marginalem Umfang in Nachhaltigkeit engagieren. Ihnen sind die Hände gebunden.

Anleger sprechen häufig von „risikoadjustierten Renditen“. Führt die Integration der Aspekte Umwelt, Soziales und Governance (ESG) Ihrer Ansicht nach tendenziell zur Verringerung des Risikos oder zur Erhöhung des Ertrags?

Ich glaube, dass beides zu je 50 % der Fall ist. Wenn das Risiko im Lauf der Zeit steigt, werden eindeutig auch die Renditen folgen. Wirft man einen vereinfachenden Blick darauf, was langfristig geschehen wird, wenn wir unseren Umgang mit dem Klima im Hinblick auf die CO2-Emissionen nicht ändern – dann fahren wir die Wirtschaft und den Planeten offensichtlich am Ende gegen eine Wand. Die Weltwirtschaft wird aufhören zu wachsen und stattdessen zu schrumpfen beginnen. Vermögenswerte werden dann in grossem Stil ausradiert. Von daher sind für mich Risiko und Rendite zwei Seiten derselben Medaille.

Würden Sie sagen, dass die Finanzdienstleistungsbranche derzeit von einem Gewissenskampf geprägt ist?

Zweifellos. Dabei handelt es sich nicht bloss um eine vorübergehende Episode. Natürlich sehen viele Leute die gegenwärtige Situation als Chance und springen auf den ESG-Trend auf. Ich bin aber überzeugt, dass Nachhaltigkeit zum Standard wird, bevor wir uns dessen bewusst sind. Aktuell ist der Ansatz in Mode, doch in drei oder vier Jahren wird nachhaltiges Investieren Standard sein. Und es ist von essentieller Bedeutung, dass dies geschieht. Liest man wissenschaftliche Abhandlungen über Klimawandel und CO2-Emissionen, wird einem klar, dass wir jetzt wirklich handeln müssen.

Die Nachhaltigkeitsziele der UNO
einen wirklich guten Orientierungsrahmen liefern, da wir Nachhaltigkeit
damit besser definieren können. Doch das ist nicht genug.

So wie die Dinge derzeit stehen, fahren wir direkt gegen eine Wand. Die Leute machen sich mehr und mehr Sorgen. Ich glaube, dass sowohl die Regierungen als auch die Unternehmen – sowie jeder einzelne von uns – Verantwortung übernehmen müssen. Das langfristige Überleben der Gesellschaft hängt davon ab. Und es sind enorme Anstrengungen auf der ganzen Welt erforderlich. Die Frage ist, ob wir uns dies wirtschaftlich leisten können. Andererseits, können wir es uns leisten, dies nicht zu tun? Wie würde die Welt dann aussehen?

Eine der zentralen Herausforderungen ist die Frage, wie man Nachhaltigkeit definiert. Es hat den Anschein, dass die Zahl der Dinge, die als nachhaltig gelten, mit jedem Jahr zunimmt. Erweitert man die Definition dahingehend, dass man nicht nur das Klima einbezieht, sondern auch Diversität, Einkommensgleichheit und Armut, dann wird auf schmerzhafte Weise deutlich, dass sich etwas ändern muss.

Die Ziele der UNO zur nachhaltigen Entwicklung (SDGs) liefern einen klaren Orientierungsrahmen und gehen über den Klimaaspekt hinaus. Ist das ein grosser Schritt vorwärts?

Ich glaube, dass die Nachhaltigkeitsziele der UNO einen wirklich guten Orientierungsrahmen liefern, da wir Nachhaltigkeit damit besser definieren können. Doch das ist nicht genug. Der nächste Schritt besteht darin, Nachhaltigkeit zu messen und darüber Bericht erstatten zu können. Bis wir dazu in der Lage sind, muss noch viel geleistet werden. Es ist von grösster Bedeutung, dass wir dafür gemeinsam einen Rahmen mit den europäischen Aufsichtsbehörden entwickeln.

Wir haben uns frühzeitig auf die Nachhaltigkeitsziele der UNO ausgerichtet. Wir gehörten zu den ersten Anbietern, die ein Aktienprodukt mit ausdrücklicher Orientierung an den UNO-Nachhaltigkeitszielen aufgelegt haben. Danach waren wir die ersten, die ein Modell entwickelt haben, mit dem man den Ansatz auch für Anleihenfonds anwenden kann. Das sind zwar hervorragende Ergebnisse, doch letztlich werden die UNO-Nachhaltigkeitsziele nur dann wesentliche Wirkung entfalten, wenn beispielsweise die Europäische Union einen soliden Rahmen dafür entwickelt und wir über allgemein akzeptierte Definitionen verfügen. Erst dann werden wir imstande sein, Nachhaltigkeit wirklich zu messen und den Effekt in Bezug auf die UNO-Nachhaltigkeitsziele zu erkennen. Ja, wir können dabei eine Rolle spielen, und jeder Assetmanager kann dazu beitragen. Aber letztendlich bedarf es eines koordinierten Vorgehens unter Federführung der Aufsichtsbehörden in der EU. Dabei können die Regierungen auf die Expertise unserer Branche zurückgreifen.

Nachhaltigkeit ist ein fester Bestandteil
unserer Finanzanalyse geworden.
Robeco ist ein Pionier des nachhaltigen Investierens. Doch in einer führenden Position hat man immer mit dem sogenannten Handikap des Fortschritts zu kämpfen. Die Wettbewerber müssen das Rad nicht mehr neu erfinden. Wie also kann Robeco seinen Wettbewerbsvorteil halten?

Das bereitet mir tatsächlich schlaflose Nächte, auch wenn unserem Unternehmen Innovation im Blut liegt. Wir verwenden viel Zeit und Energie darauf. Was Nachhaltigkeit angeht, begann alles mit einem enthusiastischen Team in Zürich, das Unternehmen aus einer echten Überzeugung auf extrafinanzielle ESG-Aspekte untersuchte. Seitdem haben wir gemeinsam einen weiten Weg zurückgelegt. Nachhaltigkeit ist ein fester Bestandteil unserer Finanzanalyse geworden. Ich nenne das „angewandte Forschung“, da der Ansatz bereits jetzt systematisch zur Bewertungvon Assets genutzt wird,  eine Rolle bei der Portfoliokonstruktion und am Ende bei der Erzielung von Mehrwert spielt. Wir machen dabei nach wie vor grosse Fortschritte, haben aber auch noch einen erheblichen Weg vor uns. Es gibt diesbezüglich auch keine Begrenzung.

Vollzieht sich der Prozess schnell genug?

Das wird sich erst im Lauf der Zeit zeigen. Doch wenn sehe, was die Konkurrenten unternehmen, dann arbeitet zwar das Handikap des Fortschritts gegen uns, doch Erfahrung und Expertise können nicht im Schnellverfahren gewonnen werden. Sie brauchen definitionsgemäss Zeit. Und wir sind gegenüber unseren Mitbewerbern nach wie vor im Vorteil. Das sagen uns unsere Kunden. Es ist hilfreich, wenn man etwas bereits sehr lange Zeit macht und deshalb die Gelegenheit hatte, Erfahrungen zu sammeln, laufend erfolgreicher zu werden und Verbesserungen vorzunehmen. Der Aufbau von Expertise braucht Zeit und erfordert viel Praxiserfahrung. Ich glaube zwar, dass andere Anbieter in gewissem Umfang aufholen können, wir werden aber trotzdem einen Vorsprung wahren.